Wie vernetzte Autos die Zukunft des Fahrens prägen und zu Bezahlplattformen werden
6. September 2021 | Von Arne PacheWenn wir über moderne Mobilitätskonzepte sprechen, dann häufig über autofreie Innenstädte, E-Roller oder Drohnentaxis. Fakt ist aber: Deutschlands beliebtestes Verkehrsmittel ist und bleibt das Auto. Um den PKW zukunftstauglich zu machen, wird mit Hochdruck an Technologien für intelligente, vernetzte Fahrzeuge gearbeitet. Sie sollen dem Verbraucher mehr Sicherheit und Fahrspaß bieten, während Autohersteller, Zulieferer und Zahlungsanbieter von neuen Geschäftsmodellen profitieren.
Durchschnittlich verbringen wir vier Jahre und einen Monat unseres Lebens im Auto und quälen uns 120 Stunden pro Jahr durch Staus. Damit wir die Zeit im Auto so angenehm und produktiv wie möglich nutzen können, tüfteln Softwareentwickler und Fahrzeughersteller auf der ganzen Welt an neuen Technologien. Dabei spielt ihnen die zunehmende Vernetzung von Diensten und Geräten in die Karten: Wie unser Smartphone soll auch unser Fahrzeug zu einem hochpersonalisierten Computer werden, der uns beim Erfüllen der unterschiedlichsten Alltagsbedürfnisse unterstützt.
50 Prozent der Befragten des Global Automotive Executive Survey 2020 von KPMG stufen das Thema „Connected Cars und Digitalisierung“ gleich nach der Elektromobilität als zweitwichtigsten Branchentrend bis 2030 ein. Eine andere Studie von Capgemini prognostiziert, dass im Jahr 2023 bereits 352 Millionen vernetzte Fahrzeuge weltweit unterwegs sein werden. Das ist nahezu eine Verdreifachung gegenüber 2018. Befeuert wird dieser Trend durch die Verbreitung des neuen Übertragungsstandards 5G und immer ausgereifteren Künstliche Intelligenz-Systemen.
Intelligente Interaktion von Mensch und Maschine
Autohersteller und Zulieferer müssen sich an die neue Realität des intelligenten Fahrens anpassen und sie mit innovativen technischen Lösungen unterstützen. Das gilt vor allem für die Weiterentwicklung von Human Machine Interfaces (HMI), also Lösungen, die es dem Menschen ermöglichen, mit einer Maschine zu interagieren. Aktuelle HMI-Trends sind:
- Smartphone-Integration: Schon heute sind in neueren Automodellen Dienste wie Apple Car Play oder Echo Auto vorinstalliert; damit kann das Smartphone nahtlos in das Dashboard integriert und verschiedene Dienste per Sprachsteuerung oder per Fingertipp gesteuert werden, ohne dass dabei die Fahrsicherheit gefährdet wird.
- Sicherheitsfunktionen: Viele Autos verfügen bereits über eingebaute Park- oder Bremssensoren. Künftig sollen Softwaresysteme mit wesentlich umfangreicheren Funktionen für noch mehr Sicherheit sorgen.
- Fahrassistenten: Die meisten von uns kennen den Tempomaten, das vielleicht älteste Beispiel für assistiertes Fahren. Künftig werden Assistenz-Dienste viel stärker personalisiert werden, sei es auf Fahrsicherheit, Fahrzeuginformationen oder Unterhaltungsangebote bezogen.
„Alexa, spiel mir Zukunftsmusik!“
Das größte Potential bei den HMI-Technologien schlummert im Bereich der Sprachassistenz. Autohersteller wie Mercedes oder BMW haben den Trend erkannt und eigene Sprachassistenten entwickelt, auch, um nicht von den großen Technologiekonzernen abhängig zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich entsprechende Einzellösungen durchsetzen werden, schließlich sind es die Verbraucher gewöhnt, ihren Lieblingsdienst mit allen Geräten – also auch dem Auto – zu verknüpfen.
Nahtloses Konsumerlebnis durch integrierte Bezahlmöglichkeiten
Während wir heute über Sprachassistenten vor allem Musik oder Anrufe steuern oder uns das Wetter vorhersagen lassen, liegt das wahre Umsatzpotential im sogenannten „Voice Commerce“, also dem Internet-Shopping per Spracheingabe. Laut des Digital Drive Reports von PYMNTS nutzen schon 65 % der US-Autofahrer einen vom Autohersteller vorinstallierten Sprachassistenten, um Online-Bestellungen aufzugeben. Dieselbe Studie verrät, dass Pendler in den USA bereits 212 Milliarden Dollar pro Jahr für Einkäufe in ihren Autos ausgeben. Noch wichtiger ist aber, dass 66 % der Pendler, die momentan ihr Smartphone für Einkäufe nutzen, angeben, dass sie deutlich häufiger shoppen würden, wenn im Auto Kaufintegrationen und Zahlungsmöglichkeiten verfügbar wären.
Kartenbasierte Zahlungsverfahren sind in letzter Zeit schon in mobile Wallets, Wearables oder IoT-Geräte gewandert. Da ist die Integration ins eigene Auto ein logischer Schritt. Durch verbesserte technologische Möglichkeiten werden Fahrzeughersteller die Chance haben, ihren Kunden während der Fahrt relevante Dienste anzubieten und damit neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Es wird geschätzt, dass die Integration von Bezahlfunktionen im Auto ein Umsatzpotential von mehr als 200 Milliarden US-Dollar hat.
Bisher müssen Käufe häufig noch mit manuellen Bezahlvorgängen auf dem Smartphone abgeschlossen werden, was die Fahrsicherheit gefährdet und nicht besonders komfortabel ist. Die Idee einer Bezahl-App, die fest ins Dashboard eingebettet ist und nicht von einem Telefon abhängt, ist reizvoll, vor allem, wenn die Bezahlmethode schon mit dem System verbunden ist und einfach per Spracheingabe aktiviert werden kann.
Zumal Verbraucher spätestens seit der Corona-Pandemie mit In-App-Payments und mobilem Bezahlen vertraut sind. Wallet-Lösungen wie Apple Pay, bei denen Kredit- oder Debitkarte hinterlegt sind, setzen sich sowohl im stationären Handel als auch im E-Commerce durch. Auch hier steht für den Nutzer nicht die Zahlung selbst, sondern das nahtlose Kundenerlebnis im Vordergrund, Stichwort „Seamless Payments“. Dienste wie Uber haben uns gezeigt, wie angenehm es ist, wenn die Bezahlung unsichtbar im Hintergrund stattfindet und nicht extra initiiert werden muss.
Auch für Unternehmen sind integrierte Bezahllösungen interessant. So hat Ford kürzlich gemeinsam mit Mastercard und SumUp eine neue Lösung für seine Nutzfahrzeuge vorgestellt, die es Kleinunternehmern, die häufig Waren ausliefern, ermöglicht, Kartenzahlungen direkt von ihren Fahrzeugen aus zu akzeptieren.
Blick in die Zukunft: So können In-Car-Payments das Fahrerlebnis verbessern
- Bezahlen an der Tankstelle
Immer mehr Autohersteller gehen Kooperationen mit Tankstellen, App- oder Zahlungsanbietern ein, um Verbrauchern ein nahtloses Konsumerlebnis zu bieten. So kann der Fahrer über Tankstellen in der Nähe benachrichtigt werden und Preise vergleichen. Tanken muss er zwar noch selbst, aber der Gang zur Kasse erübrigt sich, weil er über sein Auto-Dashboard automatisch bezahlen und dann einfach weiterfahren kann. Für ein reibungsloses Tank-Erlebnis ist Mastercard kürzlich eine Kooperation mit Ryd eingegangen. Schon heute können Nutzer über die Ryd-App direkt per Smartphone an der Zapfsäule bezahlen.
- Bezahlen an der Ladesäule
Die Zulassung von Elektroautos nimmt zu; bisher müssen sich Verbraucher aber noch mit vielen verschiedenen Lade- und Bezahlsystemen auseinandersetzen. Um einheitliche Bezahlsysteme an Ladesäulen zu etablieren, hat Mastercard das Sustainable Mobility Programm ins Leben gerufen. Zeitgemäße offene Bezahlsysteme kommen allen Parteien zugute: Verbraucher können auch auf Reisen einfach Strom laden und sicher bezahlen; Betreiber und Hersteller von Ladesäulen können durch benutzerfreundliche Lösungen die Elektromobilität in der breiten Bevölkerung durchsetzen und das Aufladen von Elektroautos genauso einfach machen wie das Tanken an einer Tankstelle.
- Intelligentes Parken
Gerade in Städten ist das Parken die nervigste Etappe beim Autofahren. Die Parkplatzsuche kostet unnötig viel Zeit, und oft muss die Parkgebühr mit Münzgeld beglichen werden, das gerade nicht zur Hand ist. Vernetzte Autos und integrierte Bezahlfunktionen können viele der Probleme rund ums Parken lösen: Vernetzte Parkplätze können freie Plätze und Preise über Funk an den Fahrer übertragen, der dann einfach den freien Platz ansteuert und anschließend automatisch über sein Auto bezahlt.
- Mautstationen
Eine Urlaubsreise nach Österreich, Italien oder Frankreich wird gerne mal von Mautstationen unterbrochen. Künftig können Authentifizierungsdokumente und Zahlungsmittel in das Nummernschild eines Fahrzeugs oder in einen Aufkleber an der Windschutzscheibe integriert werden; diese Informationen werden bei Durchfahrt automatisch gelesen, und das Auto bezahlt.
- Autovermietung
Künftig könnten Kunden über ihr vernetztes Fahrzeug einen Mietwagen reservieren, die Mietgebühren und das Parken und Tanken bezahlen sowie die Fahrtdaten direkt für ihre Spesenabrechnung speichern und einreichen.
- Werkstatt
In der Zukunft können Autos oder das mit dem Auto verbundene Smartphone nicht nur anzeigen, wenn das Öl gewechselt werden muss oder wenn mal wieder eine Wartung ansteht. Als intelligente Fahrzeuge werden Autos in der Lage sein, Schäden und Probleme direkt zu analysieren, dann die passende Werkstatt und deren Preise anzuzeigen, und direkt vor Ort zu bezahlen.
- Drive-In und Bestellungen
Wie schön wäre es, wenn das Auto nicht nur die Pommes im Drive-In selbst bezahlt, sondern unterwegs die Reinigung oder Apotheke benachrichtigt, damit der Mantel oder Hustensaft bei Ankunft schon bereitliegen (und natürlich vom Auto bezahlt werden).
Technische und datenschutzrechtliche Voraussetzungen für In-Car-Payments
Technisch gesehen sind In-Car-Payments nichts Neues. Zahlungsfunktionen fürs Auto können zum Beispiel mit RFID-Tags oder eingebetteten BLE-Hardwaremodulen ermöglicht werden – das richtige Entwicklerteam kann ein entsprechendes System relativ schnell auf die Beine stellen.
Damit der Fahrer die Zahlungsfunktionen aber auch nutzen kann, müssen Fahrzeughersteller entweder eine vollständige Konnektivität im Auto anbieten oder eine Smartphone-basierte Konnektivität oder eine Mischform aus beidem. Zusätzlich sind Betriebssysteme notwendig, in die verschiedene mobile Apps integriert werden können. Außerdem sollten die Hersteller ein digitales Wallet ins Auto integrieren, über das der Fahrer verschiedene Bezahloptionen einbinden und somit flexibel bleiben kann.
Mastercard hat bereits vor Jahren die Voraussetzungen geschaffen, um mit intelligenten Geräten zu bezahlen und kooperiert mit einer Reihe von namhaften Marken. Im Bereich vernetzter Autos arbeitet Mastercard zum Beispiel mit dem Technologiekonzern IBM und dem Autobauer General Motors zusammen, um Mastercard-Zahlungen in das OnStar Go-System von GM zu integrieren.
Auch stellt sich die Frage nach dem Datenschutz und der Sicherheit des Bezahlvorgangs: Wo werden die Daten gespeichert und wer hat Zugriff darauf? Wie kann sichergestellt werden, dass der Auslöser einer Zahlung auch wirklich Besitzer des Autos und der Kreditkarte ist? Abgesehen von ausgereiften Authentifizierungsverfahren (z. B. biometrische Lösungen), die den regulatorischen Anforderungen entsprechen, bietet Mastercard viele weitere Technologien, die dabei helfen, den Zahlungsverkehr sicherer zu machen:
- Tokenisierung: Mit Hilfe der Tokenisierung lassen sich potenziell alle möglichen Geräte zu Bezahlplattformen machen – Autos, Fernseher oder sogar Kühlschränke. Mit der Verschlüsselungstechnologie Mastercard Digital Enablement Service (MDES) werden die echten Kartendaten des Nutzers durch sogenannte Token ersetzt. Dadurch wird die Gefahr von Datenmissbrauch minimiert.
- Künstliche Intelligenz: Mastercard-Systeme, die auf Machine Learning und Big Data basieren, können verschiedene Aktivitäten prüfen und Verhaltensmuster erkennen, die auf einen Betrugsversuch hinweisen. Der Fahrer kann vor potentiellen Gefahren gewarnt werden und schnell die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.
- Blockchain: Auch in anderen Anwendungsbereichen gilt die Blockchain-Technologie als sichere Methode für die Speicherung und den Austausch von Daten. Die Verwendung von Blockchain beseitigt außerdem technologieübergreifende Kompatibilitätsprobleme.
Automobilhersteller, Banken und Zahlungsdienstleister sind gut beraten, sich schnell auf diesen neuen Markt einzustellen. Gleichzeitig muss die Politik dafür sorgen, Rahmenbedingungen für eine eigene Rechtspersönlichkeit von Maschinen festzulegen.