Berlinale 2023: Diversität im Film – Realität und Perspektive

27. Februar 2023 | Frankfurt a. M./Berlin | Von Juliane Schmitz-Engels
Berlinale 2023: Diversität im Film – Realität und Perspektive © dennisscholzphoto.com

Berlinale 2023: Diversität im Film – Realität und Perspektive © dennisscholzphoto.com

Die Berlinale ist jedes Jahr der Ort für interkulturelle Begegnungen und die Plattform für die kritische filmische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. Sie gilt als das politischste der großen Filmfestivals weltweit.

Wahre Diversität im Film sollte also eines der großen Themen sein, mit speziellem Blick auf die Filmwirtschaft. Aber wie sieht es hier de facto aus? Viel zu oft werden Schauspieler:innen immer noch auf Grundlage von Stereotypen und Klischees gecastet. Dabei haben Filme die Macht, den Blick der Gesellschaft auf unsere Welt zu schärfen und stereotype und diskriminierende Rollenbilder zu beseitigen.

Als Co-Partner der Berlinale nutzte Mastercard das Filmfestival, um ein unübersehbares Zeichen für mehr Diversität im Film zu setzen. In einer breit angelegten Awareness-Kampagne machten die Schauspielerin und Comedienne Thelma Buabeng sowie Brix Schaumburg, Deutschlands erster offiziell geouteter trans Schauspieler, das Thema an den Schauplätzen des Internationalen Filmfestivals sichtbar. 

Am 20. Februar 2023 lud Mastercard zudem Filmschaffende zu einer Podiumsdiskussion ins Berliner Soho House ein: „Wenn im Rampenlicht Platz für alle ist: Diversität im Film - Realität und Perspektive”. Was muss geschehen, um diese klischeehaften Darstellungen in Zukunft zu vermeiden? Wo liegen die Herausforderungen und wie können Hürden beseitigt werden? Und welche Rolle können dabei Filmproduktionen und die Filmförderung spielen? Gemeinsam mit Akteur:innen der deutschen Filmbranche diskutierte Schauspielerin und Moderatorin Annabelle Mandeng, wo wir heute stehen und was noch geschehen muss, damit Vielfalt im Film – vor und hinter der Kamera – in Zukunft zur Norm wird. 

Film prägt, doch was tun, wenn die Welt in den Medien nicht der Realität entspricht?

Dealer oder Doktor? Wer übernimmt welche Rolle im Film? Das hat Folgen für unsere wahrgenommene Realität und damit unsere Gesellschaft: Stereotype und diskriminierende Rollenbilder sowie fehlende Repräsentanz sind nur einige Aspekte. Laut der großen Branchenumfrage „Vielfalt im Film“ (2021) erlebten bereits 51 Prozent der Filmschaffenden Diskriminierung im Arbeitskontext. 

Die Studie „Vielfalt und Sichtbarkeit" (2021) der MaLisa Stiftung zeigt unter anderem, dass Menschen mit Migrationshintergrund lediglich elf Prozent aller Protagonist:innen im Fernsehen darstellen. Dabei beträgt ihr Anteil in der Bevölkerung über 26 Prozent. Schwarze Menschen sowie People of Color spielen nur fünf Prozent aller Hauptrollen in TV-Programmen. Im Vergleich zu ihrem geschätzten Bevölkerungsanteil von zehn Prozent sind sie damit ebenfalls deutlich unterrepräsentiert. „Filme prägen den Blick der Gesellschaft auf unsere Welt. Doch ist es wirklich unsere Welt, die wir in Medien sehen? Nein. Viel zu oft werden Schauspieler:innen noch auf der Grundlage von Klischees gecastet. Häufig mangelt es an Diversität. Damit sollten wir als Gesellschaft nicht einverstanden sein”, erklärt Marene Arnold, VP Marketing & Communications bei Mastercard DACH.


Auch der Filmregisseur und Drehbuchautor Lars Becker (u.a. Bunte Hunde, Nachtschicht-Reihe) kritisiert vor und hinter der Kamera: „Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft, diese Realität müssen wir auch medial spiegeln.” In Deutschland gilt er, wenn auch umstritten, als ein Türöffner für viele Schauspieler:innen und steht für Diversität, gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Für seine kommende Reihe „Die Polizistin” arbeitet Lars Becker mit der Schwarzen Schauspielerin Thelma Buabeng in der Hauptrolle zusammen. Für ihn ist die Rolle des Castings essenziell. „Die Besetzungsfehler sind durchgehend da”, kritisiert er. Er möchte insbesondere im Kontext sozialpolitischer Geschichten richtig besetzen. Die Besetzung erfordert viel Sensibilität, damit ein passender Cast für die einzelnen Rollen und ihre Hintergründe gefunden werden kann – auch um bestehende Klischees zu durchbrechen.

Sheri Hagen, Regisseurin, Schauspielerin und Produzentin von Equality Film, moniert: „Es werden immer nur die Gleichen gezeigt – selbst auf Filmfestivals." Damit fehlt bereits eine Vielfalt in der Repräsentanz auf kreativer Ebene. Sheri Hagen ist zudem Mitinitiatorin von “Vielfalt im Film”, deren Organisationen Mastercard auch finanziell unterstützt. Im Aktionszeitraum vom 13. bis 26. Februar 2023 spendete Mastercard für jede Transaktion (Ticketkäufe im Online-Shop der Berlinale, Snacks & Getränke im Kino International und im Zoo-Palast), die mit einer Mastercard getätigt wurde, einen Euro an die dazugehörigen Organisationen.

Thelma Buabeng (u.a. Tell Me Nothing From The Horse) ergänzt, dass aus ihrer Sicht der Tod von George Floyd und die #BlackLivesMatter-Bewegung erst zu mehr Diversität geführt haben. Viele ihrer BIPoC-Kolleg:innen seien danach regelrecht von Anfragen überrannt worden. Trotzdem müsse immer eine:r den ersten Schritt machen, um marginalisierten Gruppen eine Plattform zu geben. Sie selbst hat BlackWomXnMatter ins Leben gerufen: ein Kollektiv von Frauen und nicht-binären Menschen, die sich gegenseitig durch Austausch, Selbstfürsorge und Freude unterstützen und stärker den Wandel in der Gesellschaft, Politik und Medien vorantreiben.

Thelma Buabeng, Schauspielerin und Aktivistin und Gesicht der Mastercard-Kampagne © dennisscholzphoto.com

Thelma Buabeng, Schauspielerin und Aktivistin und Gesicht der Mastercard-Kampagne © dennisscholzphoto.com

Diversität fängt oben an – und gehört durchaus in der Filmförderung verankert

Alle Panelist:innen bemängeln, dass entscheidende Positionen nach wie vor kaum divers besetzt sind. Zwar stellt Sheri Hagen einen Wandel – auch in Entscheidungspositionen – fest, doch dieser Wandel sei nicht inklusiv und intersekulär genug. Als großes Vorbild gelten die umfassenden Diversity Standards des BFI (British Film Institute), die in Großbritannien weitgehend bis hinein in die Förderung oder die Vergabe von Filmpreisen (z.B. BAFTA) implementiert sind. Sie moniert, dass Diversität und Inklusion beispielsweise durch Checklisten für intersektionale Filmproduktionen im deutschen Filmförderungsgesetz (FFG) sowie im Medienstaatsvertrag verankert werden sollten, aber auch barrierefreie Zugänge zu Filmbildungsstätten. Schließlich werde nahezu alles im Film und Fernsehen auch mit öffentlichen Geldern – und damit Steuergeldern von uns allen – finanziert. Bei der letzten Novelle des Filmförderungsgesetzes wurde das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigt und in groben Zügen auch Gendergerechtigkeit, aber Vielfalt als solche nicht.

Das bestätigt die ehemalige Filmproduzentin und Diversity-Trainerin Lissi Muschol als Stimme aus dem Publikum. Sie kritisiert mit ihrer Erfahrung ebenfalls, dass auf den Entscheidungsebenen in der Kultur- und Filmbranche Diversität sowie das Bewusstsein für Vielfalt kaum eine Rolle spielen, gerade wegen fehlender Vorgaben in der Filmfinanzierung und Kulturförderung. Vorreiter gibt es jedoch. Beispielsweise die MOIN Filmförderung aus Hamburg. Sie hat für Fördernehmer:innen eine Diversity-Checkliste eingeführt und gilt damit zumindest als Vorreiterin. Helge Albers, der Geschäftsführer der MOIN Filmförderung, begründet den Ansatz der Checkliste: „Wir wollen unsere vielfältige, multikulturelle Gesellschaft modern und in all ihren Facetten auf der Leinwand sehen.“ Dieser Ansatz würde zudem zu einer Normalisierung der Narrative führen – weg von Klischees hin zu echter Vielfalt der Geschichten, die Medien produzieren. Erste Unternehmen haben sich selbst zu mehr Diversität verpflichtet. Beispielsweise plant die UFA Diversität bis Ende 2024 im Gesamtportfolio abzubilden. Als großes Vorbild für mehr Vielfalt und Besetzungen fern von Rollenklischees wird der Streaming-Dienst Netflix genannt, der öfter mit ungewohnten und mutigen Besetzungen auffiel – beispielsweise in der fiktiven Serie “Bridgerton” mit Golda Rosheuvel als Königin. 

Nachwuchsproblem, auch bei Fürsprechern für mehr Diversität

Wie in so vielen Bereichen des Lebens wird auch unter dem Aspekt der Diversität der mangelnde Nachwuchs gesehen. Sei es in der Nachwuchsförderung, Ausbildung oder auch junge Stimmen, die laut für Vielfalt in der Filmbranche einstehen. Schauspielerin und Aktivistin Thelma Buabeng betont, dass sie eine neue Generation sieht – und dass sie vor ihnen und wie sie zu sich stehen ihren Hut zieht: „Heute bin ich stolz, eine Afrikanerin zu sein.”

Schauspieler und Regisseur Hamze Bytyçi © dennisscholzphoto.com

Schauspieler und Regisseur Hamze Bytyçi © dennisscholzphoto.com

Der Schauspieler und Regisseur Hamze Bytyçi ist Gründer RomaTrial e.V. Er schafft eine Bühne für Antiziganismus mit dem Roma-Filmfestival AKE DIKHEA?, um die kleinsten Minderheit Europas sichtbar zu machen. Er sagt, dass es auch weiße Männer wie Lars Becker zum Öffnen von Türen braucht und Networking notwendig ist. Es gibt ein Nachwuchsproblem – es sei noch ein sehr langer Prozess. Er ist überzeugt, dass alle, die sich für etwas Gutes engagieren, sich dieses gute Tun auch multiplizieren wird. Doch für alle Hausaufgaben braucht es einen langen Atem und Vielfalt im Film sollte nicht nur „Advocacy” sein, sondern gelebt werden.

Aber warum setzt sich Mastercard so stark für Diversität ein? Vielfalt auf allen Ebenen

Marene Arnold bestätigt diese Sichtweise. Diversität darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern muss ganzheitlich gedacht werden. Und das fängt bei jedem Einzelnen an – auch auf Unternehmensebene. So sieht sie als Gastgeberin der Gesprächsrunde die Rolle von Mastercard als Enabler und Connector, um das Thema Diversity sichtbar zu machen und die richtigen Menschen zusammenbringen, um etwas Neues zu starten. 

„Bei Mastercard sind Diversität und Inklusion Teil unseres Markenkerns. Wir fördern diese Prinzipien auch intern und es gibt bei uns zahlreiche Beispiele für gelebte Inklusion.” Mastercard setzt sich für wichtige Themen wie Gleichberechtigung der Geschlechter, Inklusion von LGBTQ+, Menschenrechte und gegen Rassismus ein. Damit es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt, hat Mastercard seine Mitarbeitervergütung an ESG-Ziele geknüpft, zu denen auch soziale Verantwortung und geschlechtsspezifische Lohngleichheit gehören.

Diese Haltung spiegelt sich auch in den Produkten und Lösungen von Mastercard wider. So ermöglicht beispielsweise das „True Name“-Feature Transgender-Personen und Menschen mit nicht-binärer Identität ihren selbst gewählten Namen auf ihre Mastercard zu führen. Dabei ist es egal, ob es eine behördliche Namensänderung gibt oder nicht. Das ist für Transgender-Personen, die sich häufig im falschen Körper geboren fühlen und eine neue Identität definieren möchten, eine enorme Erleichterung. Denn für sie kann der Geburtsname häufig zu unangenehmen Situationen oder gar Diskriminierung führen.

Oder die Touch Card, die es blinden Menschen ermöglicht, ihre Karten zu unterscheiden. Mit solchen Produktlösungen will das Technologieunternehmen die Standards für Betroffene verbessern und die Welt ein bisschen inklusiver machen.

Gemeinsam laut sein: Zusammenhalt und Unterstützung gerade bei Minderheiten wichtig

Am Ende der Paneldiskussion appelliert Annabelle Mandeng: „Lasst uns darauf konzentrieren, was wir sind, wer wir sind, was wir können – ohne Kommunikation geht es einfach nicht.” Dem schließt sich Schauspieler Brix Schaumburg an, ein Mitunterzeichner des Act Out Manifests. Er möchte Mut machen, zu sich zu stehen, und engagiert sich dafür vielfältigst. Für ihn wird jeder Mensch frei und wertfrei geboren und Kinder sind in dieser Hinsicht gute Vorbilder. „Daher müssen wir mutig sein und wir dürfen nie aufhören, laut zu sein. Denn nur zusammen sind wir lauter. Wir müssen miteinander dafür sorgen, dass wir Minderheiten zusammenhalten und einander helfen”, fasst er zusammen.

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Juliane Schmitz-Engels, Director, Communications Germany and Switzerland