Abschied vom Magnetstreifen – Durchziehen ist schon bald Geschichte

30. August 2021 | Frankfurt | Von Juliane Schmitz-Engels

Die Menschen hinter der Kasse hatten es früher nicht leicht. In den Anfangsjahren moderner Kreditkarten mussten sie bei jeder Kartenzahlung die Kontodaten des Kunden von Hand notieren.

Später wurden Flachbettdruckmaschinen eingesetzt, um die Kartendaten auf Kohlepapier zu übertragen. Das Geräusch, das beim Bewegen des Griffs entstand, brachte diesen Geräten den Namen Ritsch-Ratsch-Maschinen ein. (Die armen Angestellten, die sich an der Prägeplatte die Fingerknöchel aufschürften, nannten sie auch Knöchelbrecher).

Und wie konnte ein Kassenmitarbeiter erkennen, ob ein Kunde tatsächlich kreditwürdig war? Gar nicht! Denn die Kreditkartenunternehmen gaben lediglich jeden Monat eine Liste mit ungültigen Kontonummern heraus. Der Händler hatte dann zu prüfen, ob die betreffende Kundenkarte auf dieser Liste stand.

Das alles änderte sich mit der Einführung des Magnetstreifens. Diese Innovation der frühen 1960er-Jahre war weitgehend IBM zu verdanken. Die Banken konnten die Kartendaten auf einem Magnetstreifen codieren, der auf die Rückseite der Karte laminiert wurde. Der Streifen bereitete den Weg für elektronische Zahlungsterminals und Chipkarten, die mehr Sicherheit und Echtzeitautorisierung boten. Damit wurde es für Unternehmen jeder Größe einfacher, Karten als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Seit Jahrzehnten ist dieser dünne Streifen ein fester Bestandteil von Milliarden von Zahlungskarten, auch wenn sich die ursprüngliche Technologie weiterentwickelt hat.

Doch nun sind die Tage des Magnetstreifens gezählt, denn als erstes Zahlungsnetzwerk lässt Mastercard die Technik auslaufen.

Gründe für den Abschied vom Magnetstreifen sind einerseits die veränderten Zahlungsgewohnheiten der Verbraucher und andererseits die Entwicklung neuer Technologien. Die heutigen Chipkarten verwenden sehr viel leistungsfähigere und sicherere Mikroprozessoren. Auch enthalten viele dieser Karten winzige Antennen, die kontaktloses Bezahlen ermöglichen. Noch höhere Sicherheit bieten biometrische Karten, die zusätzlich zum Chip mit einem Fingerabdruck versehen sind.

Zahlungen mit Magnetstreifen gehen nach der Einführung der Chip-Zahlungen immer weiter zurück. Daher werden neu ausgegebene Mastercard Kredit- und Debitkarten ab 2024 in den meisten Märkten keinen Magnetstreifen mehr brauchen. Ab 2033 gibt es dann keine neuen Mastercard Kredit- und Debitkarten mehr mit Magnetstreifen. Partner, die nach wie vor die Magnetstreifen-Technologie nutzen, können ihre Karten so über einen langen Zeitraum schrittweise auf die Chipkartenverarbeitung umstellen.

Kredite – eine lange Historie

Das Bezahlen auf Kredit ist kein neues Konzept. Es reicht Tausende von Jahren zurück bis zu den frühen Agrargesellschaften und war bereits vor dem Papiergeld im Einsatz. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts boten Kaufhäuser, Tankstellen und sogar Fluggesellschaften ihren Kunden Shopper’s Plates oder Karten aus Metall an. Doch die erste moderne universelle Zahlungskarte wurde erst 1950 herausgebracht. Die sogenannte Chargekarte aus Pappe konnte bei allen teilnehmenden Händlern verwendet werden und war mit dem Namen, der Adresse und der Kontonummer des Karteninhabers versehen.

Gegen Ende des Jahrzehnts gingen auch andere Händler und Banken zur Ausgabe eigener Karten über, darunter auch die erste Kreditkarte aus Plastik im Jahr 1959. Dabei wurde an der Kasse ein Abdruck der Karte erstellt und die Papierkopie zum Abgleich und zur Rechnungsstellung versandt – ein langsamer und fehleranfälliger Prozess.

In den 1960er-Jahren erkannte IBM das Potenzial der Codierung von Informationen auf Karten mit einem Magnetband. Zuvor war diese Technik bereits für Audioaufnahmen und zur Speicherung von Daten auf Computer-Disketten verwendet worden.

Einer IBM Firmenlegende zufolge, tüftelte der Ingenieur Forrest Parry daran, einen Streifen des Magnetbands auf einen Plastikausweis für die CIA aufzubringen. Seine Frau schlug vor, den Streifen auf den Ausweis aufzubügeln. Das Bügeleisen war nicht gerade die Art von Hardware, die IBM berühmt machen sollte, aber es funktionierte.

Mit dem Chip zu mehr Sicherheit

Schon vor dem Durchbruch des Magnetstreifens verfolgten Ingenieure die Idee, eine Karte mit einem Computerchip auszustatten, der durch komplexe Berechnungen noch mehr Sicherheit bieten sollte.

Die weltweit erste Chipkarte hatte ihr Debüt in den 1960er-Jahren in Frankreich. Doch es dauerte Jahre, bis sie sich durchsetzen konnte. Ein großes Problem war, dass die verschiedenen Chipkarten nicht mit jedem Terminal funktionierten. Dies führte schließlich zur Entwicklung des weltweiten technologischen Chip-Standards EMV.

Heute erzeugt der Chip bei jeder Transaktion einen einmaligen Code, den die ausstellende Bank validiert und so die Echtheit der Karte sicherstellt. Gleichzeitig verbessert diese Technologie auch die Datensicherheit für den Karteninhaber.

Mit der Einführung des EMV-Standards sind Chipkarten seit Ende der 1990er- Jahre das bevorzugte Zahlungsmittel. Heute werden EMV-Chips weltweit für 86 % der persönlichen Kartentransaktionen verwendet.

Nun wird der Magnetstreifen in Deutschland, Europa und anderen Regionen, wo Chipkarten bereits weit verbreitet sind, ab 2024 von Mastercard Zahlungskarten verschwinden.

„Es ist an der Zeit, diesen führenden Branchenstandard voll auszuschöpfen. Damit können Verbraucher einfach, schnell und sorgenfrei bezahlen“, sagt Ajay Bhalla, President des Bereichs Cyber & Intelligence bei Mastercard. „Was für die Verbraucher das Beste ist, ist auch für das gesamte Wirtschaftssystem die beste Lösung.“

„Die Händler freuen sich auf den Tag, an dem der Magnetstreifen Geschichte sein wird. Damit entfällt für sie die Verpflichtung, Daten speichern und sichern zu müssen, die sie eigentlich gar nicht benötigen“, sagt John Drechny, CEO der Merchant Advisory Group, die mehr als 165 US-Händler vertritt. „Wir gratulieren Mastercard zu diesem Schritt. Er trägt dazu bei, die Zahlungssicherheit zu erhöhen und Händler und Konsumenten vor Risiken zu schützen. Wir würden es begrüßen, wenn auch andere Unternehmen der Branche diesen Weg einschlagen würden.“

Mit großen Schritten voran

Während es bisher Jahre dauerte, ehe sich Änderungen im Bezahlverhalten und in der Zahlungsverarbeitung allgemein durchsetzen konnten, hat sich das Tempo der digitalen Transformation während der Pandemie rasant beschleunigt. Im ersten Quartal 2021 verzeichnete Mastercard eine Milliarde mehr kontaktlose Transaktionen als im gleichen Zeitraum 2020. Und im zweiten Quartal 2021 wurden 45 % aller persönlichen Kartenzahlungen weltweit kontaktlos abgewickelt.

Die Verbraucher sind zunehmend experimentierfreudiger in Bezug auf neue Zahlungsoptionen geworden. Laut der kürzlich durchgeführten Mastercard UmfrageNew Payments Index“ haben fast zwei Drittel der Befragten eine neue Zahlungsmethode ausprobiert, die sie unter normalen Umständen nicht ausprobiert hätten.

Diese neuen Technologien sind viel einfacher einzusetzen und damit auch für die kleinsten Händler leichter zugänglich. So lassen sich Telefone mit der neuen Technologie Cloud Tap on Phone in Akzeptanzgeräte verwandeln, ohne zusätzliche Hardware oder Peripheriegeräte.

Die EMV-Technologie entwickelt sich weiter und wird immer sicherer. Anfang dieses Jahres hat Mastercard neue quantenresistente Spezifikationen für das kontaktlose Bezahlen vorgestellt. Diese Neuerung wird dazu beitragen, Karteninhaber und Händler in den kommenden Jahrzehnten noch besser vor Betrug zu schützen – mit dem gleichen halbsekündigen Tap-and-go-Erlebnis wie heute und ohne, dass Änderungen an den digitalen Geldbörsen, kontaktlosen Karten und Kassenterminals vorgenommen werden müssten.

Und so wird das Durchziehen von Karten genauso wie die aufgeschürften Fingerknöchel schon bald verschwinden. „Echter Fortschritt bedeutet auch, dass wir uns von Technologien verabschieden, die unseren Bedürfnissen nicht mehr entsprechen“, sagt Howard Hammond, Executive Vice President und Leiter des Bereichs Consumer Banking der Fifth Third Bank. „Die Art, wie wir einkaufen, bezahlen und interagieren, verändert sich, und wir kommen diesen neuen Bedürfnissen mit intelligenteren und sichereren Erlebnissen entgegen.“

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Juliane Schmitz-Engels, Director, Communications Germany and Switzerland