Mastercard Index of Women Entrepreneurs (MIWE) 2021: Die Genderkluft in deutschen Unternehmen schrumpft weiter – es gibt jedoch noch Hürden

13. April 2022 | Frankfurt | Von Juliane Schmitz-Engels

Die fünfte Ausgabe des Mastercard Index of Women Entrepreneurs (MIWE) zeigt, dass Deutschland im vergangenen Jahr Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen im Beruf gemacht hat – aber nicht in allen Bereichen. Insgesamt konnte sich Deutschland vom 14. auf den siebten Platz im Ranking verbessern, was vor allem auf die Verringerung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den unternehmerischen Tätigkeiten zurückzuführen ist. Frauen sind für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung – als Unternehmerinnen, als Gründerinnen, in Führungspositionen und als Fachkräfte. Dennoch arbeiten in Führungspositionen immer noch überwiegend Männer. Der Anteil weiblicher Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft blieb weitgehend unverändert bei 29,7 Prozent aller Führungskräfte (2021: Platz 34) gegenüber 29,1 Prozent im MIWE 2020.

Der MIWE dokumentiert die Fortschritte und Leistungen von Unternehmerinnen in 65 Volkswirtschaften weltweit. Er basiert auf öffentlich zugänglichen Daten führender internationaler Organisationen wie der OECD und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und repräsentiert 82,4 Prozent der weltweiten, weiblichen Erwerbsbevölkerung.

Nur ein Viertel der Selbständigen ist weiblich

Immer noch gründen und leiten Frauen nach wie vor seltener als Männer ein Unternehmen, auch wenn sich die Diskrepanz deutlich verringert hat. Der Männeranteil am Unternehmertum fiel 2021 von 9,5 auf 5,1 Prozent der männlichen Gesamtbevölkerung, während die Selbstständigenquote unter Frauen von 5,7 auf 4,4 Prozent sank. Trotz des schwierigen Umfelds haben sich die Frauen als resiliente Unternehmerinnen erwiesen. 2021 waren in Deutschland 25,4 Prozent aller Selbständigen weiblich, 0,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland allerdings immer noch hinter Ländern wie den Vereinigten Staaten, Neuseeland und Kanada zurück, die am besten in den Bereichen Frauenförderung, Wissenstransfer und Zugang zu finanziellen Ressourcen für Frauen abschnitten. Dies könnte sich mittelfristig als Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland herausstellen, denn zahlreiche Studien belegen, dass Unternehmen umso erfolgreicher und innovativer sind, je diverser die Unternehmensführung aufgestellt ist.

Corona-Pandemie bremst Existenzgründerinnen aus

Die Corona-Krise hat die Pläne vieler Existenzgründerinnen im vergangenen Jahr zunichte gemacht. In Deutschland wagten nur 4,4 Prozent der Frauen (2021: Platz 56) den Sprung in die Selbständigkeit oder sind Inhaberinnen eines Unternehmens, das vor weniger als 3,5 Jahre gegründet wurde. Davon gaben 75 Prozent an, dass sie ihre Vorhaben aufgrund der Pandemie verschoben und keine Maßnahmen zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, Produkte oder Dienstleistungen ergriffen haben. 

„Frauen wurden von den Auswirkungen der Corona-Pandemie überproportional hart getroffen und sind in vielen Bereichen der Wirtschaft immer noch unterrepräsentiert“, erklärt Jane Prokop, EVP, Global Segment Lead for Small Business bei Mastercard. „Um das Potenzial der globalen Wirtschaft voll auszuschöpfen, müssen wir Unternehmerinnen noch besser unterstützen. Das Aufbrechen traditioneller Rollenbilder, die Beseitigung bewusster und unbewusster Vorurteile und die Möglichkeit für Frauen und Männer, sich die Kinderbetreuung zu teilen, ohne dass sie bei der Rückkehr in den Beruf ins Hintertreffen geraten, müssen weiter gefördert werden, um eine Gleichstellung von Frauen zu erreichen.“

In Zeiten von Lockdowns, Kitaschließungen, Quarantäne und Homeschooling haben Frauen deutlich häufiger ihre Erwerbsarbeit verringert als Männer, wie verschiedene Studien zeigen. Dies droht nun den jahrzehntelangen Fortschritt auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und in der Wirtschaft zunichte zu machen. Das Weltwirtschaftsforum geht in seinem „Global Gender Gap Report 2021“ sogar davon aus, dass die Zeitspanne, die benötigt wird, um das globale Gender-Gap zu schließen, durch die Auswirkungen der Corona-Krise 36 Jahre länger dauern wird.

Stereotype verbauen Frauen den Weg

Traditionelle Rollenmuster und verinnerlichte Stereotypen in Unternehmen und in den Führungsetagen stellen immer noch große Hürden dar. So fehlt es beispielsweise auf staatlicher, institutioneller und unternehmerischer Ebene an Anreizen weibliche Talente zu fördern. Denn obwohl das Recht auf Elternzeit sowie das deutsche Arbeitsrecht beiden Elternteilen gleichermaßen die Möglichkeit einräumt, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder Elternzeit zu nehmen, um ihre Kinder zu betreuen, führen soziokulturelle Normen und finanzieller Druck in der Regel dazu, dass die Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus dem Berufsleben ausscheiden. Daher bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein zentrales Thema.

Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen von McKinsey & Company, dass die Möglichkeiten für Frauen, ins Berufsleben zurückzukehren, häufig dadurch behindert werden, dass sie sich neu qualifizieren oder neue Karrierewege einschlagen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie aufgrund der Pandemie ihren Arbeitsplatz wechseln müssen, ist fast viermal so hoch wie bei Männern. Nach Angaben des FEMM-Ausschusses des Europäischen Parlaments sind Frauen zudem eher bereit in einem Telearbeitsmodell außerhalb der Büros des Arbeitgebers zu arbeiten als ihre männlichen Kollegen.

Damit Frauen in vollem Umfang ihr Potenzial im Wirtschafts- und Arbeitsleben einsetzen können, müssen kohärentere und konzertierte Anstrengungen unternommen werden, um Frauen den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. So zeigen zwar die Ergebnisse aus dem diesjährigen MIWE, dass in 14 der untersuchten Volkswirtschaften mehr Frauen beschäftigt werden als noch vor einem Jahr, aus Daten der ILO geht jedoch klar hervor, dass die Lage global gesehen längst nicht so rosig ist: 2020 wurden weltweit 5 Prozent weniger Frauen beschäftigt als im Vorjahr, bei den Männern betrug der Rückgang nur 3,9 Prozent.

Deutschland bietet gute Rahmenbedingungen für unternehmerisches Engagement, aber wenig Unternehmergeist und Mängel bei der Infrastruktur

Im MIWE 2021 schneidet der Standort Deutschland vor allem in den Bereichen Humankapital und Zugang zu finanziellen Ressourcen (Platz 15) gut ab. Dazu tragen eine verbesserte staatliche Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (von Platz 17 auf Platz 15 im MIWE 2021), die Verfügbarkeit von Risikokapital (Platz 6) und der Zugang zu Krediten zur Finanzierung des operativen Geschäfts von KMUs (Platz 6) bei.

Die deutsche Unternehmenslandschaft bleibt lebendig, angetrieben durch die relative Leichtigkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden (2021: Platz 16) und den hohen Wissens- und Technologietransfer (2021: Platz 13), der zu neuen Geschäftsmöglichkeiten für KMU führt. Verschlechtert hat sich die Bewertung der kommerziellen und professionellen Infrastruktur von 71,8 im MIWE 2020 auf 66,4 (2021: Platz 16). Viele aufstrebende Unternehmen sehen ihr Geschäft durch Mängel der Infrastruktur beeinträchtigt. Unterstützt wird das Ökosystem durch eine sehr stabile Regierungsführung (2021: Platz 8). Die jüngsten Daten zeigen auch ermutigende Fortschritte bei den Weiterbildungsmöglichkeiten für Unternehmer:innen von 54,6 auf 58,6 (2021: Platz 35) und eine Verbesserung von staatlichen KMU-Programmen von 71,2 Punkten auf 72,0 (2021: Platz 3). Die Absicht, in den nächsten drei Jahren unternehmerisch tätig zu werden, ist von 9,1 Prozent der Gesamtbevölkerung auf 10,7 Prozent (2021: Platz 54) gestiegen. Dies ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt zur Stärkung des derzeit gering ausgeprägten Unternehmergeistes in der deutschen Wirtschaft. Positiv fällt auf, dass sich die staatliche Förderung für Unternehmer:innen und Existenzgründer:innen durch die Politik von 52,0 im MIWE 2020 auf 56,8 (2021: Platz 25) verbessert hat. Dazu trägt u. a. die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung bei, die unter dem Titel „Stark für die Zukunft“ neun Ziele festgelegt hat, welche die Gleichstellung der Geschlechter voranbringen soll.

Die Leistungen von Frauen sind für den Wirtschafsstandort Deutschland elementar. Frauen stellen fast die Hälfte der Erwerbstätigen. Als Entscheiderinnen gestalten sie die Zukunft Deutschlands mit. Daher wird es auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein, dass staatliche Maßnahmen das Unternehmertum von Frauen bewusst unterstützen und Voraussetzungen geschaffen werden, die den Unternehmergeist voll entfalten. Mastercard engagiert sich schon seit vielen Jahren für eine Gleichstellung der Geschlechter in Unternehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich das Technologieunternehmen verpflichtet, bis zum Jahr 2025 weltweit 25 Millionen Unternehmerinnen in die digitale Wirtschaft zu integrieren.

Den vollständigen Mastercard Index of Women Entrepreneurs (MIWE) 2021 finden Sie unter:  

https://www.mastercard.com/news/insights/2022/mastercard-index-of-women-entrepreneurs-2021/

 

Methodik
Der Mastercard Index of Women Entrepreneurs (MIWE) analysiert die Fortschritte von Frauen in der Wirtschaft in 65 Volkswirtschaften weltweit. Der MIWE repräsentiert rund 82 Prozent der weltweiten, weiblichen Erwerbsbevölkerung und bietet eine Analyse der sozioökonomischen Faktoren, die ihren Erfolg fördern oder hemmen. Eine detaillierte Analyse anhand von 12 Indikatoren und 27 Unterkategorien misst die Ergebnisse in den Bereichen Frauenförderung, Wissensvermittlung und Zugang zu Finanzmitteln sowie die unternehmerischen Rahmenbedingungen.

Im aktuellen MIWE werden die einzelnen Volkswirtschaften entsprechend ihrer Leistung im vergangenen Jahr eingestuft und bewertet. Durch die Zusammenfassung dieser Ergebnisse liefert der Index eine Gesamtbeurteilung der Situation von Frauen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Bildung und Arbeitsplatz im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen auf nationaler und globaler Ebene. In der aktuellen Ausgabe wurde die Zahl der analysierten Volkswirtschaften von 58 auf 65 erhöht und um Bulgarien, Jordanien, Katar, den Libanon, Madagaskar, Marokko und Zypern erweitert.

Um das Hinzufügen neuer Indikatoren und Unterindikatoren in der Analyse zu berücksichtigen und dabei historische Nachvollziehbarkeit und Vergleiche zu ermöglichen, wurden in diesem Jahr auch die Index-, Komponenten- und Benchmark-Werte für die beiden Vorjahre neu veröffentlicht.

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Juliane Schmitz-Engels, Director, Communications Germany and Switzerland